Im 11. Jahrhundert gründet das Stift Xanten die erste Kirche in Dorsten. Diese stand wahrscheinlich an der Ecke Bauhausstiege/Wiesenstraße. Bis 1721 hatte der Propst von Xanten das Recht, die Pfarrstelle zu besetzen. Die Kirche gehörte bis 1821 mit dem Vest Recklinghausen zum Erzbistum Köln, danach zum Bistum Münster.
Die mittelalterliche Kirche
Im 13. Jahrhundert wird an der heutigen Stelle eine kreuzförmige Kirche erbaut, später zur gotischen Hallenkirche erweitert und in der Folgezeit mehrfach durch An- und Umbauten verändert. Schutzpatron der Kirche ist Johannes der Täufer, später St. Agatha. Der romanische Taufbrunnen aus dem 13. Jh. steht noch heute in der Turmkapelle.
1488 wird an die Pfarrkirche die Magdalenenkapelle angebaut. Die von Martin Luther 1517 ausgelöste Reformation findet in Dorsten zunächst keinen Einzug, da das kulturelle Leben der Stadt maßgeblich von christlichen Bruderschaften und besonders von den ansässigen Ordensgemeinschaften (Ursulinen und Franziskanern) geprägt wird. Ein Hochaltar mit flämischen Schnitz- und Malerarbeiten bereichert um 1520 die Innenausstattung der Kirche.
1719 beschädigt der Brand der Stadt den Kirchturm erheblich und zerstört die Glocken. 1732 werden drei neue Glocken in Dorsten gegossen.
Vollständige Zerstörung am 22. März 1945
Am 22. März 1945 – nur 2 Wochen vor dem Ende des 2. Weltkrieges – zerstören alliierte Luftangriffe durch 560 Bomben die kleine Altstadt völlig. Mit ihr auch die spätgotische St. Agatha-Kirche. Aus den Trümmern ragt nur noch der Torso des Turms.
In ihm waren 1943 (gut gesichert) viele Kostbarkeiten der Kirche untergebracht worden: Der flandrische Schnitzaltar, alte Paramente und das große Pfarrarchiv. Die im Turm eingelagerten Kunstgegenstände werden zerstört und das Pfarrarchiv wird ein Opfer der Flammen. So geht vieles aus der Pfarr- und Stadtgeschichte 1945 für immer verloren.
Einiges kann jedoch durch frühe Auslagerung oder aus den Trümmern gerettet werden. So das älteste Stück, unser spätromanischer Taufbrunnen, zwei Epitaphe aus der frühen Renaissance, der Altaraufsatz der ehemaligen Magdalenenkapelle und das Schmuckstück: die spätgotische Monstranz.
Viele dieser Fundstücke sind in der heutige St. Agatha-Kirche zu sehen.
Die Notkirche
Vorübergehend finden die Gottesdienste im Schülerrefektorium des Ursulinenklosters statt, das von den Bomben verschont geblieben ist. Zusätzlich diente der Saal Maas-Timpert an der Bochumer Str. als Gottesdienst-Raum für die Katholiken der Feldmark. Der damalige Kaplan Heinrich Spaemann ist dort Seelsorger. Durch seine intensive Seelsorge und sein Charisma wird der Saal zu einem geistlichen Zentrum.
Die Notkirche wird am 22.3.1946 (ein Jahr nach der Zerstörung der Stadt) feierlich eingeweiht. Es ist eine 500 qm große Maschinenhalle der Zeche Fürst Leopold, die unter Planung und Aufsicht von Bongartz und der Hilfe vieler innerhalb kürzester Zeit auf dem hinteren Gelände des zerstörten Kolpinghauses errichtet wird. Die Notkirche ist mehr als Behelf oder Baracke, sondern eine erste kirchliche Heimat und ein überzeugender sakraler Funktionsbau.
Die Glocken
Eine kleine Sensation ist der Rücktransport der drei barocken Glocken (1732) der alten Kirche, die noch vor dem Ende des Krieges zum Einschmelzen nach Lünen abtransportiert worden waren. Dort werden sie im April 1946 wiederentdeckt und gleich unter vielen Mühen zurückgebracht. Diese Glocken – das einzige noch vollständig erhaltene barocke Geläut in Westfalen – gehören noch heute zum Kirchengeläut, welches 1963 noch um zwei weitere Glocken ergänzt wird.
Frühe Neubaupläne
Schon 1945 äußert der damalige Bischof von Münster Jemens August Graf von Galen gegenüber Pfarrer Westhoff den Wunsch, Dorsten wieder ein „repräsentatives Gotteshaus“ zu geben. Im Herbst 1945 liefert der vom Kirchenvorstand beauftragte Kölner Architekt Otto Bongartz die ersten Entwürfe: eine basilikale Kirche mit mächtigem Westturm und zwei Seitentürmen im Osten.
Die zerstörte, mittelalterliche Kirche war schon vor dem Krieg zu klein für die wachsende Zahl der Katholiken gewesen. Wichtig war auch der angedachte hohe Symbolwert, den der Neubau der Stadtkirche für die am Boden liegende Stadt und ihre Bevölkerung haben sollte. So unternimmt Architekt Bongartz in den 50er Jahren bewusst mit einer romanischen Basilika einen Rückgriff auf mittelalterliche Formsprache, welche im Kirchenbau schon längst nicht mehr üblich war.
Der Wiederaufbau
Es gibt viele Verhandlungen und Widerstände. Die großzügig geplante Erweiterung über das alte Chor hinaus in die Ursulastraße wird im Kompromiss mit den Nachbarn teilweise zurückgenommen. Das größte Problem aber ist die Finanzierung eines solchen Sakralbaus in jenen Zeiten. Aus dem bischöflichen Generalvikariat kommt erheblicher Zweifel am Terminplan wie auch an der Eigenfinanzierung, „die über die Finanzkraft der Kirchengemeinde weit hinausgeht“. Da unterschätzt Münster aber den Willen der Bevölkerung, der Gemeinde und des Pfarrers und deren Gebefreudigkeit und Phantasie. Der Kirchbauverein, die Kirchbaulotterie und freiwillige Spenden machen innerhalb von zwei Jahren einen Bau möglich, wie er zu dieser Zeit kaum denkbar ist. Die Kirche wird – das ist zu jener Zeit vielleicht nur wenigen klar – auf erhebliches finanzielles Risiko gebaut. Sie kann nur entstehen durch freiwillige ehrenamtliche Leistung und durch Einsparungen während der Bauphase. So spart man viel teures Baumaterial, indem die Trümmer der alten Kirche im Betonbau mitverwertet werden. Dieser besondere Reiz unserer Kirche ist ein origineller Einfall, der aus der Finanznot geboren wurde. Die kühne Zweiturmanlage im Osten lässt man fallen. Dafür wird unterhalb des Chores eine Krypta für Werktagsgottesdienste angelegt.
Anfang Januar 1950 erhält Pfarrer Westhoff die Baugenehmigung aus Münster. Der Neubau der St. Agatha-Kirche wird zum Wahrzeichen für Dorstens Wiederaufbau.
Die heutige St. Agatha Kirche
Am 24.9.1951 feiert man die Grundsteinlegung der neuen Kirche. In der Betonmauer des Neubaus der Kirche – ein hoher, lichter Raum in basilikalem Stil – wurden die Trümmer der alten Kirche eingegossen. Erhalten geblieben sind unter anderem ein Teil des Magdalenenaltars, der romanische Taufbrunnen aus dem 13. Jahrhundert und drei Glocken von 1732.
Am 7. Juli 1952 weiht der Bischof von Münster die heutige Kirche ein. In einer eigenen Festwoche wird 2002 das 50-jährige Jubiläum (50 Jahre nach Wiederaufbau) der neu geweihten St. Agatha-Kirche gefeiert. Aus diesem Anlass wird direkt vor der Tür der Kirche die neue Geschichtsstation eingeweiht.
In einer Ausstellung „Aus den Trümmern – Wiederaufbau mitten in der Stadt“ werden kaum gezeigte Dokumente zusammengetragen, von der Trümmerlandschaft um St. Agatha über Planung und Erstellung des neuen Kirchenraums bis zur Weihe des neuen Gotteshauses.
Noch heute informiert Sie eine Ausstellungswand direkt im Eingangsbereich über die lebhafte Geschichte von St. Agatha.
Einladung
Wir laden Sie recht herzlich zu einem Rundgang „Mitten in der Stadt“ ein, denn dort steht die St. Agatha-Kirche auch heute noch nach der Zerstörung und dem Wiederaufbau.
Unsere Kirche ist ganztägig zum Besuch freigegeben.